Ausstellung im Kreishaus widmet sich der Aufarbeitung von Suizid

Tabuisierung in der Gesellschaft und Hilfsangebote stehen im Fokus
23.10.2024
Eröffneten die Ausstellung (v.l.): Kreisrat Ansgar Meyer, Anna-Maria Taphorn-Lübbers, Cordula Tomberger und Rita Breuer.

Landkreis Cloppenburg. Rund 60 Gäste sind der Einladung zur Eröffnung der Ausstellung „Suizid - (k)eine Trauer wie jede andere. Gegen die Mauer des Schweigens“ gefolgt. Der Verein AGUS e.V. -Angehörige um Suizid, der bundesweit über 100 Selbsthilfegruppen für trauernde Angehörige organisiert und auch im Landkreis Cloppenburg Trauernde unterstützt, hatte die Wanderausstellung ins Kreishaus geholt.

Kreisrat Ansgar Meyer entschuldigte Landrat Johann Wimberg, der leider verhindert war. Meyer sagte, dass Tabus eine besondere Eigenschaft hätten. „Sie machen machtlos, sie machen sprachlos.“ Diese Ausstellung habe das Ziel, den Suizid und die Trauer danach in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Die Ausstellung informiere, kläre auf, stelle Verbindung zu Hilfe her. „Es gibt keine einfachen Antworten, wenn es um Suizid geht. Aber es gibt Gemeinschaften, die dabei helfen sie zu finden“, beschrieb Meyer einen Kernpunkt.

Im Landkreis Cloppenburg wird die AGUS-Selbsthilfegruppe vom ambulanten Hospizdienst organisiert. Die Gruppenbegleiterinnen sind Rita Breuer und Anna-Maria Taphorn-Lübbers. Breuer bedankte sich für die Gastfreundschaft der Kreisverwaltung und deren Unterstützung bei der Organisation der Ausstellung. 10.000 Menschen würden jährlich in der Bundesrepublik durch Suizid sterben. „Dreimal so viele wie im Verkehr. Nicht berücksichtigt sind die ungeklärten Verkehrsunfälle sowie Nahrungsverweigerung chronisch kranker und alter Menschen“, betone sie. „Opfer von Suizid hinterlassen im Schnitt 10 Angehörige. Das bedeutet bis zu 80.000 Betroffene pro Jahr, wobei die Trauer selbst oft Jahre dauert.“ Im Jahr 2023 seien sie bei der Gründung der Selbsthilfegruppe in Cloppenburg von der Resonanz überrascht worden. Taphorn-Lübbers erklärte, dass häufig auch innerhalb der Familien Tabus vorherrschten, oft um die Kinder zu schützen. „Man muss aber mit Kindern ehrlich darüber sprechen, sie trauern nämlich ganz anders als Erwachsene. Ein Verlust wie durch einen Suizid muss in der Familie aufgearbeitet und nicht geheim gehalten werden“, sagte die AGUS-Gruppenbegleiterin.

Als Gastrednerin eingeladen war Cordula Tomberger, eine von zwei Autorinnen der AGUS-Broschüre „Lebensthema - Vom frühen Verlust eines Elternteils durch Suizid“. Sie hielt einen Vortrag mit dem Titel „Über Suizid sprechen“. Tomberger berichtete dabei in persönlichen Worten von ihrer eigenen Erfahrung mit dem Suizid ihres Vaters, als sie 20 Jahre alt war. Ihre Familie sei damals offen mit dem Suizid umgegangen, was die Aufarbeitung wesentlich erleichtert habe. Für viele Menschen sei gerade das Verschweigen müssen eine große zusätzliche Belastung. Tomberger nannte die immer noch vorhandene gesellschaftliche Stigmatisierung von Suizid als einen Faktor, der es Betroffenen erschwere, offen mit ihren Erfahrungen umzugehen. „Darüber zu sprechen, erfordert daher einen Vertrauensvorschuss. Oft wird das Thema gewechselt oder sogar das Gespräch abgebrochen, wenn es um Suizid geht“, berichtete Tomberger. „Suizidbetroffene verschwinden so hinter einer Mauer des Schweigens. Das schafft ungünstige soziale Bedingungen für Hinterbliebene.“ Sie betonte aber: „Es kann auch völlig okay sein, nicht über das Thema reden zu wollen. Aber es ist etwas anderes, schweigen zu müssen.“


Abschließend ermutigte sie Menschen, die einen Angehörigen durch Suizid verloren haben, über das Thema zu sprechen. „Privat oder öffentlich oder in geschützten Gruppen darüber zu sprechen, eröffnet Räume für andere, ebenfalls darüber zu sprechen. Das trägt dazu bei, das Tabu um das Thema Suizid abzubauen und verbessert die sozialen Bedingungen für alle Trauernden.“ Gleichzeitig richtete sie das Wort an alle Menschen: „Schweigen Sie nicht, wechseln Sie nicht das Thema, stellen Sie Fragen, gehen Sie darauf ein. Das zeigt Interesse an Ihren Mitmenschen. Manche Betroffene werden ihr ganzes Leben nie danach gefragt, wie es ihnen mit dem Suizid ihres Angehörigen geht. Bitte machen Sie auch anderen Mut, in diese Ausstellung zu kommen.“

Noch bis zum 31. Oktober wird der gemeinnützige Verein „AGUS e.V. – Angehörige um Suizid“ in Zusammenarbeit mit dem Hospizdienst für den Landkreis Cloppenburg e.V. die Wanderausstellung mit dem Titel „Suizid – keine Trauer wie jede andere. Gegen die Mauer des Schweigens“ im Kreishaus des Landkreises Cloppenburg zu den bekannten Öffnungszeiten präsentieren. Sie soll all jenen Informationen geben, die sich aus beruflichen oder persönlichen Gründen mit diesem schwierigen Thema auseinandersetzen. Die Ausstellung gliedert sich in vier Bereiche. Zunächst werden Statistiken und Informationen zum Thema Suizid präsentiert. Besucherinnen und Besucher werden mit Zahlen und Fakten konfrontiert, die ein Bewusstsein dafür schaffen, wie groß dieses Problem in der Gesellschaft ist. Der zweite Teil beschäftigt sich mit AGUS e.V. und der Selbsthilfe nach einem Suizid. Der dritte Teil widmet sich den Themen Schuld und Vergebung und der Frage, ob man selbst hätte eingreifen können. Der letzte Abschnitt der Ausstellung gibt Einblicke in die Gefühlslagen nach dem Verlust eines Partners, eines Kindes, eines Geschwisters oder eines Elternteils durch Suizid.